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ARTSIG
Göttinnen, Hägsen & andere starke Frauen
Schon vor Urzeiten haben die Menschen Bilder des weiblichen Körpers geschaffen. Die frühesten ausgegrabenen Siedlungen waren mutterrechtlich geordnet. Von der Altsteinzeit über die Jungsteinzeit bis hin zu den Hochkulturen Sumer, Kreta, Malta, Altägypten, Altpersien, dem prähellenistischen Griechenland u. a., stand die große Göttin im Zentrum von Kultur und Religion.
Offensichtlich waren diese weiblichen Kulturen friedlich. Siedlungen wie Catal Hüyük (Türkei), die ursprüngliche Stadt Jericho und viele andere waren unbewehrt. Es gab keine Verteidigungsanlagen. Man fand keine Waffen. Dafür unzählige Schreine der Göttin mit weiblichen Kultfiguren. Friedlich konnte die Welt jahrtausendelang überleben.
Die Göttin wurde verehrt als die Erdmutter, die prima mater, die prima materia, die uns nährt und Leben schenkt. Mit ihr verehrt wurde auch der weibliche Körper, die Frau, aus der alles Leben kommt. Die weiblichen Zyklen wurden geheiligt und in Beziehung gesetzt zu den großen Naturabläufen. Aus diesen Beobachtungen gewannen die Frauen Wissen, wurden zu Königinnen, Priesterinnen, Philosophinnen, Astrologinnen, Sybillen..., bis das aufkommende Patriarchat dieses Wissen mehr und mehr verdrängte und schließlich mit den sogenannten Hägsen auf dem Scheiterhaufen verbrannte.
Die Hägse, die Zerzauste, die Zaunreiterin, die Hagazussa, sie war noch geblieben als die, die auf dem Hag, der Hecke, dem Zaun saß, der hinter dem Garten verlief und das Dorf von der Wildnis abgrenzte. Als Zaunreiterin hatte sie an beiden Bereichen teil. Sie war die Überschreiterin der Grenzen, die Überreste alten Wissens bewahrte. Ihr Rat war begehrt und geschätzt. Sie half bei Krankheit, Geburt, Empfängnisverhütung.... Sie wusste noch um die Mondphasen und deren Auswirkungen auf Mensch und Natur.
Diese Hagazussa, die Wilde, aber auch die Weise galt es zu verfolgen und auszurotten und mit ihr die Gesamtheit weiblichen Wissens, weibliches Selbstverständnis und weibliche Kraft. Nach der Zeit der Hexenverfolgung war kaum noch nennenswerter Besitz, sei er geistig oder materiell, in den Händen von Frauen.
Endgültig vorbei war es mit den großen Festen zu Ehren der Göttin, vorbei mit den ausschweifenden Tänzen und Riten, in denen die weiblichen Mysterien, der weibliche Körper gefeiert und geheiligt wurden, vorbei mit der Lust an der fruchtbaren Fülle des eigenen Körpers und der Natur, der Kult der großen Mutter war ausgerottet und vergessen.
Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass sich solche Kulte in Bayern angeblich bis ins 8. nachchristliche Jahrhundert, in abgelegenen Landschaften Griechenlands sogar bis ins 12. Jahrhundert nach Christus, gehalten hatten.
„Die alte Weltsicht hatte die Erde als lebendigen Körper wahrgenommen, als Lebewesen, das seit Urzeiten als die Mutter Erde gesehen wurde.(1) Alles kreiste um Geburt, Initiation, Fruchtbarkeit, heilige Hochzeit, Tod und Wiedergeburt. Die Religion war körperlich-sinnlich. Eine Trennung von Religion, Kunst und Wissenschaft gab es nicht. „Die Feste waren Höhepunkte der Verschmelzung von Weltanschauung und gesellschaftlichem Leben (2)
War die Mondin ursprünglich noch die Tochter der Erdgöttin, so wurde sie in den hochentwickelten matriarchalen Kulturen selbst zur großen Göttin und löste die alte Erdmutter ab. Monatlich wechselte sie vom Leben zum Tod, vom Tod zum Leben und wurde in der 3-fachen Göttin verehrt, gefeiert und getanzt.
Die Vorstellung der 3-gestaltigen Göttin entsprach folgendem Schema:
die jugendliche Göttin
die Göttin der Reinheit,
des Wachstums, des
Neubeginns
die Weiße
die Ungebändigte, die
Freie, das junge
Mädchen vor der ersten
Menstruation
sie steht für den Frühling,
den zunehmenden Mond,
die 1. Phase im weiblichen
Zyklus (Aufbau)
z.B. Diana, Südeuropa
die Muttergöttin
die Göttin der Fülle, der
Reife, der Fruchtbarkeit
Neubeginns
die Rote
die Mutter, die
menstruierende, die
blühende, fruchtbare Frau
sie steht für den Sommer,
den Vollmond,
die 2. Phase im weiblichen
Zyklus (Fülle)
z.B. Ishtar, Babylon
die dunkle, die alte Göttin
die Göttin der Weisheit, der
Tiefe, des Todes, aber auch
die Göttin der Wandlung und
Erneuerung, die Leben aus
der Tiefe wieder neu
Erneuerung, die Leben aus der Tiefe wieder neu entstehen lässt
die Schwarze
die alte Frau, die alles erlebt
hat, alles kennt, alles weiß
und dieses Wissen an die
Jungen weitergibt
sie steht für Herbst und
Winter, für abnehmenden
und Neumond, die 3. Phase
im weiblichen Zyklus (Abbau)
z.B. Hekate, Griechenland