top of page
pfeil-links-schwarz.gif

In der 3-faltigen Göttin sahen sich die Frauen in Ihrem Lebenszyklus vom Mädchen über die fruchtbare Frau bis hin zur weisen Alten, aber auch in ihrem monatlichen Zyklus mit Aufbau, Fülle und Abbau repräsentiert.

Und wie die Mondin ewig wiederkehrt, so stellten sich die Menschen auch ihr Dasein vor: Aufstieg - Höhepunkt - Abstieg - Wiederkehr, ohne unverrückbares Ende. Der Mondtanz entwickelte sich zum zentralen Kult der matriarchalen Gesellschaftsform.

Ursprünglich tanzten nur die Frauen. Die Mondphasen, bzw. die Feste im Jahreszeitenrhythmus bestimmten den Tanz.

Aus der Erfahrung des 3-geteilten weiblichen Zyklus, parallel zur Dynamik des Mondwechsels und den Naturrhythmen entwickelten sich somit hochdifferenzierte religiöse Kultformen, sowie ein in sich schlüssiges, zyklisches Weltbild.

Die Frauen sahen sich in ihren eigenen Zyklen als die Töchter der Mondin. Bei vielen matriarchalen Völkern bestand deshalb der Zweifel, ob Frauen überhaupt sterben würden. Es hieß, sie ziehen sich im Alter einfach zurück und werfen ihre Haut ab, um anschließend jung und frisch wiederzukommen. Hierin liegt der Ursprung der uns bekannten Jungbrunnen und Altweibermühlen.

Welch ein Unterschied zu den religiös-philosophischen Diskussionen des fünften nach-christlichen Jahrhunderts in Alexandria, bei denen der Frage nachgegangen wurde, ob Frauen überhaupt Seelen hätten. Stellte doch schon Hippokrates fest, dass die „Frau an Ihrer weiblichen Konstitution natürlicherweise krank sei, ihre Menstruation den Charakter eines regelmäßigen Aderlasses habe.(3)  Und auch Thomas von Aquin war der Meinung: „Als Mensch ganz entwickelt zu sein, heißt als Mann geboren zu sein.(4) und „hinsichtlich der Einzelnatur ist das Weib etwas mangelhaftes und eine Zufallserscheinung...(5), notwendig eigentlich nur als Gehilfin des Mannes.

Somit waren Frauen also zum seelenlosen, mangelhaften, schon, von Natur aus kranken Eigentum des Mannes erklärt. Zucht und Ordnung traten anstelle von Lust und Freude. Die Leidensgeschichte des weiblichen Körpers nahm ihren Lauf. So ließ zum Beispiel „das Gebende des Hochmittelalters, eine enge Haube mit straffem Kinnband, nur noch ein Lispeln zu“.  Im Spanien des 16. Jahrhunderts „verhüllte der Manto den weiblichen Leib bis auf ein kleines Guckloch,...,die Mieder wurden mit Eisenstangen versehen, und selbst die Andeutung einer Brust versuchte man zu verstecken. Überdies verwendete man Bleiplatten, um schon vorhandene Brüste flach zu halten oder deren Wachstum zu verhindern... (6) etc.

`Die Daumenschrauben wurden angezogen´. Frausein bedeutete nun zutiefst Verunsicherung, Entwertung, Entfremdung.

Auch heute noch ist Frausein mit unzähligen Problemen verbunden, weibliches Selbstverständnis jenseits männlicher Projektion und Standardisierung immer noch geprägt von Unsicherheit und Zweifel. Die 3-gestaltige Göttin, einst umfassendes Sinnbild des Weiblichen, begegnet uns nun, von den Massenmedien reduziert auf einen ewigen Jugendlichkeitskult, in perfektem Zuschnitt auf männliche Bedürfnisse.

Der Körper der Frau, zwar befreit von Eisenstangen und Bleiplatten, wurde zum Objekt kommerzialisierter Sexualität. - Silicon anstatt Blei ? -

Viele der gegenwärtigen Fraueninitiativen setzen hier an, um neue alte Identifikationsmöglichkeiten zu erschließen, den weiblichen Körper in all seiner Erscheinungsvielfalt und eingebunden in die großen Naturabläufe wiederzuentdecken, zu bejahen, zu genießen, und wieder ganzheitlich Frau zu werden.

Gerade heute, angesichts wachsender sozialer Probleme und Umweltkatastrophen, ist weibliches Wissen, „weiches Wissen“, mehr denn je gefragt. Ist doch das Schicksal der Frau eng verbunden mit dem von Natur und Umwelt.

So lange Frauen geehrt wurden, bestand eine tiefe Ehrfurcht vor dem Leben und der Natur.

Mit der Schändung der Frau ging jedoch auch die Zerstörung unseres Planeten einher. Der rationalistische Geist machte sich die Erde untertan, und nicht nur die Erde.

„Wir werden sie foltern (die Natur), um ihr ihre Geheimnisse zu entreißen,(7) sagte Francis Bacon, ein Philosoph des 16. Jahrhunderts. Irgendein Inquisiteur sagte dasselbe von einer als Hexe angeklagten Frau. Und was meinte noch mal Picasso ? „Man kann die Frauen einteilen in Göttinnen und Schuhabstreifer“. Ich denke es liegt an uns allen, uns wieder zu den Ersteren zu gesellen.

                                                                                                                     Sigrun Häußler

Doppelpfeil-schwarz.gif

Anmerkungen:

(1)  Adele Getty, Göttin

(2)  Heide Göttner Abendroth, Die tanzende Göttin

(3)  Fischer Hemberger, Krankheit Frau

(4)  Adele Getty, s.o.

(5)  Blume / Schneider, Die Regel

(6)  Peter Duerr, Traumzeit

(7)  Adele Getty, s.o.

Weitere Literatur:

Luisa Francia, Hexentarot

Luisa Francia, Drachenzeit

Erich Neumann, Die große Göttin

Ranke Graves, Die weiße Göttin

Caitlen Matthews, Die Göttin

„Die heilsame Rückkehr zu den weiblichen Werten in Politik und Religion ist kein Rückfall, sondern eine Umkehr zu einem Leben für Bäume, Flüsse, Luft, Menschen, eine innere Umkehr zu einer Haltung, die Gesetze der Natur höher zu achten als unser Bedürfnis der Herrschaft über sie.“                                                                                                                                          aus Jutta Voss, Das Schwarzmond-Tabu

bottom of page